Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) führt mehrere, nach Auffassung der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) rechtswidrige Argumente an, um Menschen mit Seltenen Netzhautdegenerationen eine ambulante Versorgung am Krankenhaus gemäß § 116b SGB V zu verwehren. Hat der Ausschuss dabei an die Betroffenen gedacht?
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit den Stimmen der niedergelassenen Ärzte und der Krankenkassen im September entschieden, dass Menschen mit Seltenen Netzhautdegenerationen nicht gem. § 116 SGB V ambulant im Krankenhaus versorgt werden dürfen. Die Beratungen des GBA gehen auf die Initiative unseres Mitgliedsverbandes PRO RETINA Deutschland e.V. zurück.
Eine Reihe rechtswidriger Argumente sind für die Ablehnung angeführt worden. Das Skurilste: für Seltene Netzhautdegenerationen gäbe es keine wirksame Therapie!
Fast alle chronischen seltenen Erkrankungen sind unheilbar. Eine ursächliche Therapie ist für sie nicht verfügbar, aber auch eine symptomatische Therapie ist häufig nicht möglich. 40 % aller Betroffenen einer Seltenen Erkrankung erhalten in Deutschland mindestens eine Falschdiagnose.1 Die richtige Diagnose und Beratung ist immer von größter Bedeutung, auch wenn therapeutisch nichts oder wenig machbar ist. Die Diagnose ist die Basis für eine gute Beratung. Sie ist unerlässlich für die persönliche Krankheitsbewältigung und die weiteren Wege zu Ärzten, Therapeuten, Hilfsmittelanbietern etc. Von der Diagnose hängt auch die Richtigkeit der Prognose ab, an der sich wichtige Entscheidungen der Lebens- und Berufsplanung orientieren. Die richtige Diagnose stellt sicher, dass diese und nicht eine therapierbare Form vorliegt. Auch bei Seltenen Netzhautdegenerationen gibt es einige therapierbare Formen und Erkrankungszustände. Die Diagnose stellt lebenslang die Weichen: Wird eine Therapie verfügbar, verpasst der Betroffene durch eine falsche Diagnose die Heilung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss führt in seiner Entscheidung weiterhin folgende Argumente gegen die Aufnahme in den Katalog an. Diese halten nach Auffassung der ACHSE einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Es drängt sich bei der Lektüre vielmehr die Frage auf, wessen Interessen bei dieser Entscheidung ausschlaggebend waren.
Auch ambulante Versorgung am Krankenhaus gem. § 116 SGB V gibt es nur wenn und soweit ein Bedarf nach dem Angebot besteht. Nur dann werden die Angebote von den Kliniken – trotz der meistens unzureichenden Vergütung des EBMs – tatsächlich eingerichtet. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Chance, dass derartige Angebote entstehen, Menschen mit Seltenen Netzhautdegenerationen verwehrt werden sollten.
1 The Voice of 12,000 Patients, S. 45 ff, EURORDIS, www.eurordis.org