Stellungnahme ACHSE KHVVG

Stellungnahme der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) - Stand 30.04.2024

Es ist unumstritten, dass eine Krankenhausreform vonnöten ist. Mit dem vorliegenden Entwurf werden insbesondere auch für Menschen mit Seltenen Erkrankungen wichtige Ziele verfolgt: 

•    Die geplante stärke Konzentrierung von spezialisierten Leistungen und die Finanzierung von Vorhaltekosten kann langfristig ermöglichen, eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Krankenhausversorgung auch für Seltene Krankheiten mit kleinen Fallzahlen qualitätsgesichert sicherzustellen. 

•    Die explizite Erwähnung der Seltenen Erkrankungen im Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung der Leistungsgruppen und Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Qualitätskriterien ist ausdrücklich zu begrüßen. Es besteht so die Chance, dass die mit der Versorgung einhergehenden Bedarfe auf Patienten- und Klinikseite konkreter erfasst und bedient werden können. 

•    Die, neben der Vorhaltevergütung, für einige medizinische Fächer zusätzlich vorgesehenen Mittel sind insbesondere für die Pädiatrie von großer Bedeutung.  Die Kinder- und Jugendmedizin ist prädestiniert für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen, die aber über DRGs regelmäßig nicht auskömmlich abgedeckt wird.

Folgende Punkte sehen wir kritisch:

1.    Die Versorgung im Krankenhaus muss im Zusammenspiel mit der ambulanten Versorgung gedacht werden. Die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen (nachher auch „MmSE“) findet hauptsächlich ambulant statt. Gelegentlich sind Aufenthalte im Krankenhaus zusätzlich notwendig. Oft wird die Versorgung durch eine Hochschulambulanz sichergestellt, nicht selten aber auch an nicht-universitären Einrichtungen. Die Zuschläge nach § 136c SGB V und die von uns klar befürworteten Vorhaltepauschalen sind alle nur halb so wirksam, wenn sie nicht auch für die ambulante Versorgung eingesetzt werden können. Der Umsatz und die Zukunft eines Zentrums dürfen nicht davon abhängen, ob Patientinnen und Patienten ambulant oder stationär behandelt werden. Eine Krankenhausreform bietet auch die Chance, eine sektorenübergreifende Versorgung zu fördern. Diese Chance dürfen wir nicht verpassen!

2.    Für die Vorhaltepauschale müssen die Seltenen Erkrankungen sichtbar gemacht werden, hierzu muss stationär und ambulant der Orphacode verwendet werden. Die Leistungsgruppen orientieren sich an den Strukturen der klassisch medizinischen Fächer. Da die Seltenen Erkrankungen zwar ca. 20% aller stationären Patienten eines Uniklinikums betreffen, aber eben alle Fachgebiete treffen können, und auch kein eigenes Gebiet in der Medizin darstellen, sind sie gar nicht abgebildet (es sind eben Querschnittserkrankungen). Soweit bislang bekannt sollen die Leistungsgruppen wohl über die Diagnosen nach ICD-10 definiert werden. Die Seltenen werden im ICD-10 aber nicht differenziert genug abgebildet und sind somit zu Abrechnungszwecken nicht sichtbar. Damit lässt sich aktuell über Vorhaltekosten für die Versorgung von Seltenen Erkrankungen, die im neuen Katalog wohl auch als Sockelbetrag finanziert werden sollen, keine angemessene Abschätzung treffen. Es wird befürchtet, dass hierfür angesetzte Beträge dem Bedarf nicht gerecht werden.

3.    Aus den bisher bekannt gewordenen Plänen können wir nicht erkennen, wie mit den bisher erarbeiteten Standards zur Qualitätssicherung verfahren werden soll. Es kann nicht gewollt sein, dass die mühsam im GBA entwickelten Qualitätsstandards erneut im Kontext der neuen Leistungsgruppen ausgearbeitet werden müssen. Die leidvollen Erfahrungen mit der Neuaufstellung der spezial-ärztlichen Versorgung (§ 116c neu SGB V) sollten Warnung genug sein, dass schon erarbeitetes nicht zur Disposition gestellt werden sollte. Gerade bei dem Mangel an Ressourcen, sei es Personal oder Finanzen, sollten schon erarbeitete Standards weiter genutzt und darauf aufgebaut werden.

4.    Das Vorhaben, bestimmte medizinische ambulante Leistungen in sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen in Kooperation mit Vertragsärzten anzubieten, setzt nicht nur eine Stärkung des hausärztlichen, sondern auch des fachärztlichen niedergelassenen Bereichs voraus. Hier wird heute schon an der Kapazitätsgrenze gearbeitet, aber MmSE benötigen auch im niedergelassenen Sektor fachärztliche Unterstützung. 


Berlin, 30.4.2024
ACHSE e.V.

Kontakt

Mirjam Mann, LL.M.

Geschäftsführerin
+49-30-33 00 708-0
liamE