Die Bestrebungen des Bundesgesundheitsministeriums einen schnellen und unbürokratischen Zugang zu Hilfsmitteln zu gewährleisten sowie die Attraktivität der hausärztlichen Tätigkeit zu fördern, begrüßen wir ebenso, wie eine zunehmende Einbindung wissenschaftlicher Fachgesellschaften zur Verbesserung einer an den Bedürfnissen der Patienten und Patientinnen orientierten Gesundheitsversorgung. Allerdings lässt der Gesetzesentwurf teilweise, insbesondere im Bereich der Hilfsmittelversorgung, die tatsächliche Versorgungsrealität außer Acht.
Wir begrüßen ausdrücklich die Intention, die Hilfsmittelversorgung durch die Straffung des Prüfprogramms zu beschleunigen. Allerdings verkennt der Gesetzgeber allgemein als auch mit Blick auf Menschen mit Seltenen Erkrankungen im Speziellen, die in den SPZ und MZEB vorherrschende Versorgungsrealität:
nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Menschen, die von Behinderung betroffen sind, befindet sich in der Behandlung von SPZ und MZEB,
eine Behandlung findet regelmäßig nur konsiliarisch statt und
die Wartezeiten betragen für Erst-, und Folgekontakte in der Regel mehr als 6 Monate.
Eine regelmäßige intensive interdisziplinäre und fachlich kompetente Betreuung wird hingegen auch in Spezialambulanzen, Fachkliniken und Zentren für Seltene Erkrankungen gewährleistet. Durch die regelhafte gesonderte Prüfung der medizinischen Erforderlichkeit kommt es zu erheblichen Verzögerungen in der Hilfsmittelversorgung und führt insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zu teils irreversiblen Schädigungen und Entwicklungsstörungen. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das Gesetzesziel, fordern wir zusätzlich zu den SPZs und MZEBs auch andere ausgewiesene Spezialkliniken, wie z.B. die zertifizierten Zentren für Seltene Erkrankungen, in dem Kreis aufzunehmen, für den die Einschaltung des Medizinischen Dienstes entfallen kann.
Die dreiwöchige Frist, innerhalb derer der Hilfsmittelantrag eingereicht werden muss, ist praxisfremd: vor Antragstellung ist gerade bei der umfangreichen Versorgung von schwerst- und mehrfach behinderten Kindern und Jugendlichen häufig eine persönliche Abstimmung mit den Hilfsmittelerbringern erforderlich (z.B. detaillierter Kostenvoranschlag, Bemaßungen, Aufbau des Hilfsmittels), die als notwendige Unterlagen der Verordnung beizulegen sind, jedoch sind auch hier wegen Personalmangels entsprechende Wartezeiten (2-3 Wochen) miteinzuplanen.
Wir fordern deshalb die Frist, innerhalb derer die Hilfsmittelversorgung aufgenommen werden muss, mit § 8 Abs. 2 S. 1 der Hilfsmittel-RL zu harmonisieren und entsprechend auf 28 Tage zu verlängern.
Angesichts der schon jetzt bestehenden fragmentarischen und durch Bürokratie belasteten Versorgungslandschaft, halten wir es für richtig, dass von der Errichtung von Gesundheitskiosken, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren Abstand genommen werden soll. Es sollte Priorität haben eine wirklich sektorenübergreifende Versorgung zu realisieren und zu verhindern, dass die Patienten durch das System irren und dabei eine schlechte Gesundheitsversorgung erfahren.
Aus unserer Sicht sollte der Fokus vielmehr auf einer ganzheitlichen Unterstützung der Betroffenen und ihren Familien liegen als nur auf die wohnortnahe Versorgung. ACHSE fordert u.a. die Etablierung eines Case Managers auf Rezept und einer Schulgesundheitsfachkraft für Kinder und Jugendliche, damit Menschen mit Seltenen Erkrankungen und insbesondere chronisch kranke Kinder besser versorgt und betreut werden . Wir dürfen Menschen mit Seltenen Erkrankungen und Kinder mit chronischen Erkrankungen nicht alleine lassen.
(April 2024)
Mirjam Mann, LL.M.
Geschäftsführerin
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