Biochemiker Dr. Sven Thoms und der Oberarzt Prof. Ekkehard Wilichowski von der Göttinger Universitätskinderklinik nahmen den mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis 2016 im Namen des gesamten Teams aus den Händen von Eva Luise Köhler entgegen.
Berlin, 05. März 2016 - Der Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen wurde in diesem Jahr zum neunten Mal von der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung in Kooperation mit ACHSE verliehen. Aus Anlass des zehnjährigen Stiftungsjubiläums fand die Verleihung im Rahmen einer festlichen Matinée im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin statt.
Privat-Dozent Dr. rer. nat. Sven Thoms und Prof. Dr. med. Ekkehard Wilichowski sowie das Forschungsteam der Arbeitsgruppe Muskeldystrophie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Göttingen haben die Jury der Stiftung mit ihrem Forschungsansatz zur Behandlung von Muskeldystrophien (Muskelschwund) überzeugt.
Bundespräsident Joachim Gauck, der mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt an der Veranstaltung teilnahm, gratulierte in seinem Grußwort sowohl dem Preisträger-Team als auch der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung zum zehnjährigen Bestehen.
Biochemiker Dr. Sven Thoms und der Oberarzt Prof. Ekkehard Wilichowski nahmen den mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis 2016 im Namen des gesamten Teams aus den Händen von Eva Luise Köhler entgegen.
Der Eva Luise Köhler Forschungspreis unterstützt wissenschaftliche Projekte, die sich abseits großer Fallzahlen für Linderung oder Heilung engagieren. „Durch mutige Forscher wie Dr. Sven Thoms und Prof. Ekkehard Wilichowski erfahren Menschen mit Seltenen Erkrankungen Hoffnung. Von Muskeldystrophien, mit denen er und sein Team sich befassen, ist in Deutschland nur jeder 100.000ste Mensch betroffen. Doch hinter dieser seltenen Häufigkeit stehen viele Einzelschicksale und Leidensgeschichten derjenigen, die, abseits großer Fallzahlen, nach Heilung oder wenigstens Linderung einer seltenen Krankheit suchen. Mittlerweile wissen wir, dass viele der wissenschaftlichen Erkenntnisse über Seltene Erkrankungen auch das Verständnis über zahlreiche Volkskrankheiten verbessern. Deshalb dürfen wir bei dieser Forschung nicht nachlassen“, so Eva Luise Köhler.
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Sven Thoms ist ebenso wie der geschäftsführende Oberarzt Prof. Dr. med. Ekkehard Wilichowski in der Universitätsmedizin Göttingen tätig. Der Forschungsansatz der Arbeitsgruppe basiert auf dem Wissen, dass das Reparaturprotein Dysferlin eine Schlüsselrolle bei Muskelschwund (Muskeldystrophie) spielt. Der Körper benötigt dieses Eiweiß, um Verletzungen der Muskelzellmembran zu reparieren. Fehlt Dysferlin, führt dies zu fortschreitendem Abbau von Skelettmuskelzellen und damit zu Muskelschwund. Ursache ist das körpereigene Sicherungssystem, welches das Dysferlin-Gen als defekt erkennt und eliminiert, weil es eine Mutation aufweist. Dieser Fehler im Erbgut hat fatale Folgen für den Patienten: progressiver Muskelschwund der Gliedmaßen, des Beckens und Schultergürtels. Die Krankheit manifestiert sich bereits im Kindes- und Jugendalter. In ihrem Verlauf sind die jungen Patienten auf Gehilfen bzw. Rollstühle angewiesen.
Die Forschungsgruppe nutzt das Faktum, dass jede Körperzelle Proteine (Eiweißstoffe) durch Verkettung von Aminosäuren herstellen kann. In der Regel beginnt die Proteinproduktion mit einem Start-Codon und endet mit einem Stopp-Codon. Bei genetisch bedingtem Muskelschwund verursacht ein vorzeitiges Stopp-Codon die fehlerhafte Produktion des Reparaturproteins Dysferlin. Antibiotika können das Überlesen des Stopp-Codons induzieren. Doch der zugelassene Wirkstoff Aminoglykosid-Antibiotika verursacht erhebliche Nebenwirkungen, und der ebenfalls zugelassene niedermolekulare Wirkstoff Ataluren wird kontrovers in Bezug auf Wirksamkeit und therapeutischen Nutzen diskutiert. Ziel des Forschungsprojektes ist es, eine Aussage nicht nur zur generellen Therapieoption, sondern auch – durch Einsatz bioinformatischer Analysen – zur Wahrscheinlichkeit des Ansprechens der Therapie machen zu können. Auf diese Weise sollen patientenspezifische Therapien ermöglich und Fehlbehandlungen mit potenziell toxischen Substanzen verhindert werden. Die so gewonnenen Informationen lassen sich anschließend auf andere Seltene Erkrankungen übertragen.
“Menschen mit einer chronischen seltenen Erkrankung haben eine besonders schwere Lebenssituation zu meistern. Für die Arbeit der ACHSE bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.”
Eva Luise Köhler, Schirmherrin der ACHSE