Am 13.-14. Oktober 2010 richtete ACHSE, die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V., unterstützt vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Nationale Konferenz für Seltene Erkrankungen in Berlin aus. Knapp 200 Vertreter des deutschen Gesundheitssystems kamen zusammen, um die Empfehlungen des EU-Rats und von EUROPLAN zur Erarbeitung eines Nationalplans für Seltene Erkrankungen in Deutschland zu diskutieren.
Einstimmigkeit herrschte darüber, dass Menschen mit Seltenen Erkrankungen ganz besondere Herausforderungen und Bedürfnisse haben. Wolfgang Zöller Patientenbeauftragter der Bundesregierung auf der Konferenz: „Immer noch ist über Seltene Erkrankungen viel zu wenig bekannt, Diagnosen werden zu spät gestellt, der Weg zu innovativen Behandlungsmöglichkeiten muss vereinfacht, die Forschung vorangetrieben werden. Als Patientenbeauftragter der Bundesregierung sehe ich diese Bedürfnisse der Patienten mit Seltenen Erkrankungen und deshalb werde ich mich auch weiterhin für sie einsetzen.“
Der Frage, durch welche Maßnahmen die Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen konkret verbessert werden kann, näherten sich acht Vertreter aus den relevanten Bereichen des Gesundheitswesens in einer Podiumsdiskussion.
Dr. Volker Grigutsch vertrat das BMG, Dr. Peter Egger (GKV Spitzenverband) die Krankenkassen, Dr. Paul Rheinberger sprach als Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Michael Brenske die Deutsche Krankenhausgesellschaft, PD Dr. Arpad von Moers, Chefarzt der Kinderklinik der DRK Kliniken Westend, die Klinikärzte, Michael Danzl von Actelion/ vfa die Pharmaforschung und Christoph Nachtigäller und Gerhard Alsmeier (ACHSE-Vorstand) die Patienten.
Obwohl die Teilnehmer verschiedene Interessen und damit unterschiedliche Ansätze verfolgten, kristallisierten sich zwei Hauptthemen heraus, die in einem gemeinschaftlichen Prozess erarbeitet werden sollen: Die Schaffung von Spezialambulanzen für eine sektorenübergreifende und interdisziplinäre Versorgung der Betroffenen, die durch zumeist hoch komplexe Krankheitsbilder dieser Behandlung bedürfen. Und die bessere Verfügbarkeit von Informationen im Bereich Seltene Erkrankungen. Dr. Volker Grigutsch betonte als Vertreter des BMG dabei: „Wichtig ist vor allem, dass wir nun alle Vertreter an einen Tisch bekommen haben, um gemeinsam zu erarbeiten, wie die vorhandenen Instrumente passgenauer für die Bedürfnisse von Menschen mit Seltenen Erkrankungen genutzt werden können.“
In die Weiterentwicklung dieser und weiterer Maßnahmen ging es in vier Workshops zu den Themen Informationen verbessern, Forschung, Versorgung und Monitoring eines Nationalplans. Ergebnisse fließen direkt in den weiteren Prozess des Nationalplans ein. Prof. Dr. Manfred Stuhrmann-Spangenberg, Koordinator der europäischen Datenbank für Seltene Erkrankungen Orphanet Deutschland fasste für den Bereich Informationen verbessern zusammen:
„Eine einheitliche Klassifizierung und Kodierung Seltener Erkrankungen ist eine unabdingbare Grundlage, um Seltene Erkrankungen erkennen, erfassen und weitere Daten generieren zu können.“ Weitere umfassende Informationen aus den einzelnen Workshops sind in Kürze auf www.achse-online.de verfügbar.
Christoph Nachtigäller, Vorsitzender der ACHSE, resümierte: „Es ist uns gelungen, alle maßgeblichen Akteure zu einem motivierten und konstruktiven Dialog zusammenzubringen. Für die von der ACHSE angestrebten Ziele, u.a. die Diagnose zu beschleunigen, die Versorgung zu organisieren, die Forschung voranzutreiben wurden mögliche Strategien erarbeitet. Mit den reichhaltigen Ergebnissen ist damit der Grundstein für die Erarbeitung eines Nationalplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen gelegt.“
Die Konferenz ist eine von 15 Nationalen Konferenzen, bei denen europaweit die "Empfehlung des Rates für eine europäische Maßnahme im Bereich Seltener Krankheiten" und die Ratschläge aus dem EUROPLAN erörtert werden. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist Kooperationspartner beim EUROPLAN.
EUROPLAN (European Project for Rare Diseases National Plans Development) ist eine Initiative der Europäischen Kommission, die die EU – Mitgliedsstaaten nachdrücklich dazu aufruft, Nationalpläne für Seltene Erkrankungen zu entwickeln und bis spätestens 2013 umzusetzen. Um europäische Vergleichbarkeit zu gewährleisten, hat EUROPLAN Empfehlungen erstellt, die sieben Schwerpunkte umfassen. Der konkreten Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans für Seltene Erkrankungen hat sich in Deutschland das NAMSE, das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen, angenommen. Hier sind neben den 3 Hauptsäulen, dem Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und ACHSE, sowie 18 Partner aus allen relevanten Bereichen des deutschen Gesundheitssystems eingebunden.
Die ACHSE ist ein bundesdeutsches Netzwerk von derzeit fast 100 Patientenorganisationen, die Kinder und Erwachsene mit chronischen seltenen Erkrankungen und ihre Angehörigen vertreten. In Deutschland leben 4 Millionen betroffene Menschen. Eine Erkrankung gilt als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen das spezifische Krankheitsbild aufweisen. Einige Erkrankungen sind sogar so selten, dass es in ganz Deutschland nur wenige Betroffene gibt. Es gibt mehr als 6000 verschiedene Seltene Erkrankungen.
Die ACHSE, deren Schirmherrin Eva Luise Köhler ist, hat es sich zur Aufgabe gestellt, die Waisenkinder der Medizin und ihre spezifischen Probleme in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Durch Initiativen wie die Beratung betroffener Menschen und Ärzte, ein patientenorientiertes Informationsportal, die Forschungsförderung, gesundheitspolitische Interessenvertretung, etc. sollen konkrete Hilfestellungen für erkrankte Menschen angeboten werden.